Die Hexe hat die Terz gestohlen

Hörproben aus dem Musical/Hörbuch

Die Hexe hat die Terz gestohlen
Für ihre jährliche Weihnachtsgala schrieben Kinder und Erzieher des AWO Kindergartens
„Knirpsenakademie“ in Probstzella mit professioneller Hilfe ein Bühnenstück.

Von Robin Kraska

Probstzella. Eine Örtlichkeit, die kaum eindrucksvoller sein könnte: Im Roten Saal des Haus des Volkes stehen rund 70 Kinder auf der Bühne, rings um sie hängen und stehen großformatige und farbenfrohe Kulissen. „Unser Bühnenbild soll noch eine Überraschung bis zur Aufführung bleiben!“, schärft Erzieherin Manuela Marks vor Beginn der Generalprobe am Donnerstag ein, „bitte beim Foto aufpassen!“ Morgen Nachmittag wird der Saal in dem Bauhausdenkmal voller Eltern und Angehöriger sein. Dann nämlich führt ihr Nachwuchs vom Kindergarten Knirpsenakademie das Stück „Die Hexe hat die Terz geklaut“ auf. Betrachtet man die aufwendig gestalteten Elemente, versteht man den Wunsch von Manuela Marks. „Viele Eltern fangen vor Rührung an, zu weinen“, weiß sie aus den vorigen Aufführungen, laut Marks ist es 2019 schon die elfte. Und darum geht es: Eine Hexe hat den Kindern die große Terz geklaut, also sehr vereinfacht gesagt der Intervall in der Musik, der für eine eher heitere Stimmung sorgt. Nun fehlt sie im Notenbuch! Es gibt nur noch ihre kleine Schwester und die ist ziemlich traurig. Was tun? Sollen die Kinder fortan etwa nur noch schwere Musik spielen können? Mitnichten, die Truppe macht sich sogleich auf, die Terz zurück zu bekommen. Auf der Bühne steht neben Manuela Marks und ihren ebenfalls mitwirkenden Kolleginnen auch Michael Junghannß, Komponist, Texter, Musiker, Bandleader, Autor, Allroundkünstler, aus Leipzig. Seit 2012 bereist der 60-Jährige bundesweit Schulen und Kindergärten, um auf  Honorarbasis gemeinsam mit den Kindern ein Bühnenstück zu erarbeiten, einzustudieren und aufzuführen. Als
Rahmenhandlung dient das Universum rund um Junghannß selbst erschaffene Figur „Meister Frohsinn“. Der lebt auf der Glücksinsel inmitten des mit Erdbeerbrause gefüllten Limonandenozeans, macht seinem klingenden Namen alle Ehre. In seiner fantasievollen Welt ist immer was los und wendet sich alles zum Guten. „Ich wurde von der Figur des Meister Nadelöhr im DDR-Fernsehen inspiriert“, verrät der Regisseur, der nebenher auch noch Softwareentwickler ist und gerade von Sachsen nach Suhl umzieht.

Stück erscheint auch auf CD
Das Probstzellaer Stück wird die 13. Episode der Meister Frohsinn-Serie sein. Frühere handelten von einem „Prinz Spiegelschön“, einer frierenden Nordmanntanne und dem Wärmflaschensalat oder hatten die Abenteuer des Piraten Hauptmann Donnerknall zum Inhalt. „Weil er beim Verzehr von Sauerkraut und Bohnen zu starken Winden neigt, die seinem Segelschiff oft guten Antrieb leisten“, erklärt Junghannß. Neben dem Spaß, der in den Geschichten und bei den Aufführungen im Vordergrund steht, will er den Kindern aber auch etwas mit auf den Weg geben. „Mein Ziel ist, den Kindern nicht nur Wissen über die Welt zu vermitteln, sondern auch Sozialkompetenz und Selbstvertrauen zu stärken“, sagt er. Manchmal erzähle er seinen jungen Bühnenkünstlern fantastische Flunkergeschichten, um sie zum Nachdenken anzuregen. „Die Kinder enttarnen sie als Schwindeleien und lernen so, eigenständig zu denken und die Dinge zu hinterfragen“. Junghannß sieht insofern auch eine politische Dimension in dem Anliegen. „Aber natürlich geht es auch um musikalische Früherziehung. Den Kindern soll keine Stilrichtung fremd sein. Wer Musik macht, lernt besser“.

Rammstein-Cover im Bauhausdenkmal
Entsprechend genrevielfältig geht es in dem Singspiel zu. Da reisen die Protagonisten von ihrem Kindergarten nahe beim Haus des Volkes ins Klassikland und das Schlagerwäldchen, wo eine gewisse Helene Kicher ihr „Zweifellos“ singt. Im Metal-Land schließlich ertönt Rammstein in einer humorvollen Bearbeitung. Alle Musik stammt von Junghannß selbst, ihre Texte sprachen die Erzieherinnen in den Tonstudios des Musikers ein; die Kinderstimmen wurden aus logistischen Gründen per Handy aufgenommen und später eingemischt. Auf hauptberufliche Sprecher verzichtete Junghannß bewusst: „Das macht ja gerade den Charme aus!“ Wie alle Meister-Frohsinn Episoden erscheint auch die Probstzellaer auf einer professionell produzierten CD. Über 40 Partituren seien für „Die Hexe hat die Terz gestohlen“ entstanden.

Die Initiative für das besondere Projekt ging vom Kindergarten selbst aus, der Junghannß über eine Präsentation während eines Netzwerktreffens von Sprachtherapeuden kennengelernt hatte und im Spätwinter dieses Jahres nach Probstzella einlud. „Wir wollen ein Stück mit Zahlen und Musik“, habe der Auftrag gelautet. Gemeinsam erdachte man die Story von der entführten Terz, wobei viele Manuskripte auf elektronischem Wege zwischen Probstzella und Leipzig hin und hergeschickt wurden, um Feinheiten auszubessern und gegenseitige Ideen einzuarbeiten. Erst als das Gerüst der Geschichte stand, schrieb Junghannß die Musik dazu, Ende Oktober war das Werk vollendet. Von der Knirpsenakademie ist er begeistert: „Ich habe ja schon viele Häuser kennengelernt, aber Probstzella ist wirklich außergewöhnlich! Es war ein sehr schönes und engagiertes Arbeiten. Für die Frauen ist dieser Beruf auf jeden Fall Berufung“. Die neue Leiterin Manuela Marks, wie auch ihre Vorgängerin Johanna Hommel und Kolleginnen zeigen sich ihrerseits beeindruckt von der Arbeit mit Junghannß und dem Produkt. „Natürlich stellen andere Kindergärten
und Schulen auch tolle Programme auf die Beine. Aber was hier entstanden ist, das ist schon etwas Besonderes“, finden sie.
Die Aufführung beginnt am Sonntag um 15 Uhr im Haus des Volkes, Roter Saal, und ist den Familien vorbehalten.